Betriebsrätekonferenz Ost in Frankfurt am Main

Betriebsrat vom Kabelwerk Meißen erhält „Auszeichnung für herausragendes betriebliches und gesellschaftliches Engagement“

17.06.2021 | Bei der diesjährigen Betriebsrätekonferenz Ost in Frankfurt am Main bekamen die Kolleginnen und Kollegen des Betriebsrats im Kabelwerk Meißen am 17. Juni die „Auszeichnung für herausragendes betriebliches und gesellschaftliches Engagement“ verliehen. Der Betriebsrat vom Kabelwerk Meißen hatte nach Jahren der Tarifflucht und mehr als zehn Jahren Entgelt-Stagnation Anfang des Jahres gemeinsam mit der IG Metall Riesa erneut einen Tarifvertrag für die rund 120 Kolleginnen und Kollegen erstritten.

Die Kolleginnen und Kollegen des Betriebsrats im Kabelwerk Meißen wurden auf der Betriebsrätekonferenz Ost für ihren ausdauernden und letztendlich erfolgreichen Kampf für einen Tarifvertrag geehrt. - Foto: IG Metall

Ab November 2020 mussten die Beschäftigten vom Kabelwerk Meißen nicht weniger als sieben Mal vors Werkstor gehen und die Arbeit niederlegen, um ihren Arbeitgeber endlich an den Verhandlungstisch zu bringen. - Fotos: Volker Wartmann

Auch die Nachtschicht machte bei den Warnstreiks mit.

Besonders öffentlichkeitswirksam war der Warnstreik in Form eines Autokorsos durch Meißen am 14. Dezember 2020.

Prominente Unterstützung für die Kabelwerkerinnen und Kabelwerker aus der Politik: Die Bundesvorsitzende der Linken, Katja Kipping, unterstützt die Forderungen der Belegschaft bei einem Solidaritätsbesuch am 8. Dezember 2020.

Bei den Warnstreiks mussten wegen der Coronapandemie strenge Hygieneregeln eingehalten werden.

Lautstarke Grüße in die Chefetage beim Warnstreik am 30. November 2020.

Erst mit sieben Warnstreiks ab November 2020 und der Androhung eines unbefristeten Arbeitskampfes ab Februar 2021 hatte die kämpferische Belegschaft ihren Arbeitgeber – in der Hochphase der Coronapandemie – dazu bewegen können, seine Verweigerungshaltung endlich aufzugeben und sich mit der IG Metall Riesa an den Verhandlungstisch zu setzen, um einen Tarifvertrag zu vereinbaren.

Der ausdauernde Kampf für mehr Gerechtigkeit hat sich gelohnt: Im März 2021 einigten sich die IG Metall Riesa und der Arbeitgeber über einen neuen Tarifvertrag, der der Belegschaft endlich die notwendigen Rahmenbedingungen für eine Zukunftsperspektive und dadurch mehr Sicherheit und Gerechtigkeit bietet. Der Haustarifvertrag trat am 1. April 2021 und bringt zahlreiche Verbesserungen für die Kolleginnen und Kollegen, beispielsweise 100 Euro mehr Geld pro Monat, eine einheitliche Arbeitszeit von 38 Stunden pro Woche, ein transparentes Entgeltsystem sowie Investitionszusagen durch den Arbeitgeber.

Auch die Arbeit des Betriebsrats von Norma in Gerbershausen wurde auf der Betriebsrätekonferenz Ost prämiert. Bei Norma konnte in Verhandlungen über eine Betriebsschließung mit Hilfe eines Sozialtarifvertrages der Arbeitgeber zu einer Nachnutzung in die Verantwortung genommen und Zeit gewonnen werden. In seiner Laudatio sagte Wolfgang Lemb, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall: „Das sind die Beispiele, die Mut machen, die zeigen, dass es geht. Gewerkschaftliche Durchsetzungskraft ist der Schlüssel zum Erfolg. Das gilt im Osten und im Westen.“

Zur Betriebsrätekonferenz Ost lädt die IG Metall einmal im Jahr Betriebsräte aus den neuen Bundesländern zum Gedankenaustausch mit Praktikern und Fachleuten ein. In diesem Jahr beschäftigten sich rund 60 Kolleginnen und Kollegen – im Rahmen einer virtuellen Konferenz – am 16. und 17. Juni lang mit Themen wie Umsetzung der Tarifergebnisse, der Bundestagswahl im Herbst, den im nächsten Jahr anstehenden Betriebsratswahlen sowie mit den Herausforderungen der Transformation. In diesem Kontext wurden auch die Erfahrungen der Nachwendezeit und den Lehren, die sich daraus für heutige Umbruchsituationen ziehen lassen, diskutiert.

Bei der Konferenz wurde unter anderem problematisiert, dass die Tarifbindung in Ostdeutschland nach wie vor niedriger ist als in Westdeutschland, was niedrigere Löhne, höhere Arbeitszeiten und schlechtere Arbeitsbedingungen zur Folge hat. Auch die Gründung von Betriebsräten wird in Ostdeutschland immer wieder mit gezieltem Union-Busting verhindert – ein Thema, das die Kolleginnen und Kollegen nicht nur mit Blick auf die Betriebsratswahlen im nächsten Jahr beschäftigt. Außerdem werden strategische Entscheidungen zur Ausrichtung der Unternehmen immer noch meist in Konzernzentralen in Westdeutschland und im Ausland getroffen – oft mit weitreichenden Folgen für ganze Regionen.

Die IG Metall fordert Politik und Arbeitgeber auf, jetzt alles daran zu setzen, gleichwertige Arbeits- und Lebensbedingungen in ganz Deutschland herzustellen. „Dass sich die Arbeitgeber zuletzt erneut massiv gegen die Einführung eines Angleichungsgeldes für die Beschäftigten in den ostdeutschen Bundesländern gewehrt haben, ist mehr als 30 Jahre nach der Einheit ein fatales Signal", so Wolgang Lemb. „Das im Grundgesetz formulierte Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse ist und bleibt für uns unverhandelbar. Es wird Zeit, dass auch die Arbeitgeber diesen grundgesetzlichen Auftrag endlich akzeptieren und konkrete Maßnahmen dazu auf den Weg bringen.“

Von: vw

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