Weltweite Überkapazitäten, Protektionismus oder Folgen des Strukturwandels in der Automobilindustrie: Die Stahlindustrie in Deutschland steht gegenwärtig vor großen Herausforderungen, die durch die Corona-Pandemie noch verschärft werden. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie in Sachsen zu stärken, hatte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig zum 2. Sächsischen Stahlgipfel eingeladen
Wegen der Corona-Beschränkungen trafen sich die Teilnehmer per Videokonferenz. Neben Wirtschaftsminister Dulig waren auch IG Metall-Bezirksleiterin Birgit Dietze sowie die BGH Edelstahl Freital, die Schmiedewerke Gröditz, die ESF Elbe-Stahlwerke Feralpi, das Mannesmannröhren-Werk Zeithain und die Wirtschaftsvereinigung Stahl vertreten.
Bereits beim 1. Sächsischen Stahlgipfel am 14. August 2019 hatten die Beteiligten ein Positionspapier verabschiedet, das beim zweiten Treffen fortgeführt wurde. Alle Teilnehmenden traten dafür ein, Sachsen zu einem für klimaneutralen Stahlstandort auszubauen, um die hiesige Stahlindustrie wettbewerbsfähig zu erhalten.
„Die Ausrichtung auf eine klimaneutrale Stahlproduktion ist der absolut richtige Ansatz, denn dies sichert strategisch Arbeitsplätze und stelle eine Investition in die Zukunft dar“, sagte IG Metall-Bezirksleiterin Birgit Dietze. „Gute Arbeit in Sachsen zahlt auf gesellschaftlichen Zusammenhalt, Sicherheit und Perspektive ein. Die Facharbeiterbelegschaften der Stahlwerke sind hervorragend ausgebildet, beherrschen die Prozesse und verfügen über das erforderliche Potenzial, den Strukturwandel in den Werken aktiv mitzugestalten.“
Wirtschaftsminister Martin Dulig betonte, dass die Stahlwerke „ein wichtiger Pfeiler des Industriestandorts Sachsens“ seien. „Die Transformation hin zu einer klimafreundlichen CO2-neutralen Wirtschaft gelingt nur mit der Stahlindustrie.“ Er begrüßte ausdrücklich das von der Bundesregierung aufgelegte „Handlungskonzept Stahl“ und forderte eine Umsetzung der dort genannten Maßnahmen. „Die Elektrostahlproduktion ist ein wichtiger Bestandteil einer klimafreundlichen Stahlwirtschaft und bedarf daher besonderer Aufmerksamkeit“, sagte Dulig. „Als Elektrostahlland könnte Sachsen sogar relativ schnell ein Standort für grüne und nachhaltige Stahlproduktion werden.“
Deutlich machte der sächsische Wirtschaftsminister allerdings auch, wie wichtig die Kolleginnen und Kollegen bei diesem Prozess sind: „Bei alledem müssen die Beschäftigten mitgenommen werden und eine Zukunftsperspektive erhalten.“ Dafür, versprach Dulig, „setzen sich alle Teilnehmer des Sächsichen Stahlgipfels ein.“
Positionspapier „Sachsen will Standortort für klimaneutrale Stahlproduktion werden“
- „Das von der Bundesregierung im Juli 2020 vorgelegte ,Handlungskonzept Stahl – Für eine starke Stahlindustrie in Deutschland und Europa‘ ist ein wichtiger Meilenstein für eine wettbewerbsfähige und klimaneutrale Stahlindustrie. Die dort behandelten Themen und Ziele sowie die hieraus entwickelten Vorschläge, Instrumente und Handlungsempfehlungen unterstützen wir auch mit Blick auf die neuen Problemstellungen durch COVID-19 ausdrücklich.“
- „Die Bundesregierung und die EU-Kommission sind aufgerufen, die vorgeschlagenen Maßnahmen zügig umzusetzen und faire Wettbewerbsbedingungen herzustellen. Zentral sind hier insbesondere
1. die Fortführung der notwendigen freien Zuteilung von Zertifikaten im Rahmen des Emissionshandels,
2. die Fortsetzung einer angemessenen Strompreiskompensation und die Frage eines ergänzenden Grenzausgleichs bzw. alternativer Ansätze (Carbon Leakage-Schutz),
3. die grundlegende finanzielle Unterstützung der Transformation und die Anpassung der EU-Beihilferegelungen im Sinne der klimapolitischen Zielstellungen sowie
4. EU-Schutzmaßnahmen im Außenhandel.“
- „Die Elektrostahlproduktion ist ein wichtiger Bestandteil einer klimafreundlichen Stahlwirtschaft und bedarf daher besonderer Aufmerksamkeit. Elektrostahlwerke, so auch die drei sächsischen Elektrostahlwerke, tragen durch das Recycling von Stahlschrott bereits jetzt erheblich zu CO2-Minderungen und einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft bei. Beim Einsatz von erneuerbaren Energien könnten die sächsischen Stahlwerke schon heute so gut wie CO2-neutral produzieren. Ein Großteil der dortigen CO2-Emissionen fällt nicht bei der Stahlproduktion, sondern bei der Weiterverarbeitung an. Gezielte Investitionen in diese nachgelagerten Prozesse und somit eine CO2-arme und schließlich eine sogar CO2-neutrale Stahlerzeugung und -verarbeitung sind für eine klimaneutrale Stahlproduktion erforderlich. Dafür muss eine entsprechende Menge wettbewerbsfähiger grüner Strom sowie künftig auch grüner Wasserstoff in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Auch die Versorgungssicherheit muss als ein wichtiges Gut gewährleistet werden. Hierfür braucht es schlüssige Rahmenbedingungen und eine finanzielle Förderung, damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit gewahrt bleibt. Der Einsatz von Erdgas ist dabei eine unverzichtbare CO2-arme Brückentechnologie und darf deshalb nicht verteuert werden.“
- „Sachsen als Elektrostahl-Land wird sich daher auch im Rahmen der nationalen Allianz der Stahlländer dafür einsetzen, dass die Bundesregierung und die EU-Kommission Programme zur Förderung von Investitionen in eine klimaneutrale Stahlproduktion mit dem Ziel einer hohen öffentlichen Förderung des Investitionsvolumens kurzfristig realisieren. Wir werden dabei darauf hinwirken, dass die erforderliche finanzielle Unterstützung der Investitionen in die Transformation der Elektrostahlwerke gewährleistet wird. Ziel ist es darüber hinaus, dass die Transformation der Elektrostahlwerke aufgrund der genannten Gründe sobald wie möglich in Angriff genommen wird. Sachsen könnte damit zum Vorreiter für grünen und nachhaltigen Stahl werden.“
- „Voraussetzung dafür ist, dass die Strompreise für die Elektroofenroute stabilisiert und der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden, damit grüner Strom in ausreichender Menge, verlässlich und bezahlbar zur Verfügung steht. Auch hierfür wird sich das SMWA bei der Bundesregierung einsetzen.“
- „Zudem können die hiesigen Stahlunternehmen auch bei den für die Transformation notwendigen technologischen Entwicklungen auf die Technologieförderung des Freistaates zurückgreifen.“
- „Bei allen Herausforderungen müssen auch die Belange der Beschäftigten berücksichtigt und ihre Zukunftsperspektive gesichert werden. Die Beschäftigten sind hochmotiviert und wollen wie bisher dazu beitragen, dass die sächsische Stahlindustrie qualitativ hochwertige und innovative Produkte erzeugt. Dazu gehören auch gute Arbeitsplätze und -bedingungen sowie die Qualifizierung der Beschäftigten mit dem Ziel, die Arbeitsplätze möglichst im heutigen Umfang zu erhalten.“
- „Eine zukunftsfeste sächsische Stahlindustrie ist auf gut ausgebildete Facharbeiter angewiesen. Deshalb kommt einer qualitativ hochwertigen dualen Ausbildung bei der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Stahlindustrie eine Schlüsselrolle zu. Die Stahlstandorte in Sachsen sollen durch mehr Ausbildung, Weiterbildungsmöglichkeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben weiter gestärkt werden. Darüber hinaus sind Anstrengungen notwendig, um für eine größere Akzeptanz industrieller Produktion in der Bevölkerung zu werben. Dabei sollen die Vorteile tarifgebundener, mitbestimmter Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze in der sächsischen Stahlindustrie stärker herausgestellt werden.“